20. Dec. '22

Mit Value Streams zur effizienten Organisation

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2023 wird ein Jahr der Effizienz: "Wie erreiche ich mehr mit existierenden Ressourcen" oder "- das Gleiche mit weniger Ressourcen"? Das sind Fragen die viele Unternehmen aktuell bewegen. Value Stream Betrachtungen bieten hier einen Lösungsweg indem sie Organisationen besser an Kundenbedürfnissen ausrichten und die Wertschöpfung optimieren.

Aber eins nach dem anderen - was ist überhaupt ein Value Stream?

Was ist ein Value Stream?

Ein Value Stream (Deutsch: Wertstrom, nicht verwechseln mit "Value Chain"!) bezeichnet den Fluss der Arbeit durch eine Organisation, beginnend mit der Idee oder der Kundenanfrage bis zur fertigen Auslieferung/ Inbetriebnahme. Dabei betrachten wir den Fluss aus Kundensicht – From „concept to cash“.

Warum sollte ich mich damit beschäftigen?

Value Streams stellen eine Art der Prozessbetrachtung dar, die es uns hilft als Unternehmen effizienter zu arbeiten und unser Unternehmen besser an Kundenbedürfnissen auszurichten. Value Streams stellen damit einen Weg zur Optimierung von Wertschöpfung in Unternehmen dar. Entsprechende Maßnahmen können oft Bearbeitungszeiten für Kunden drastisch reduzieren, ohne Mehrarbeit in der Organisation zu erzeugen.

Der Gedanke des Value Streams kommt aus dem Bereich des „Lean Thinking“, bei dem es darum geht kundenzentriert Wertschöpfung möglichst effizient abzubilden. Analysiert man Wertströme im eigenen Unternehmen, so stellt man schnell fest, dass die Organisation/existierenden Prozesse nicht optimal aufgestellt sind, um möglichst effizient und in kürzester Zeit Ergebnisse von Anfang bis Ende zu liefern. Um das zu Verbessern und beschäftigen wir uns mit Value Streams, bzw. Value Stream Management (VSM). Umgekehrt ausgedrückt erlaubt führt Value Stream Management dazu, dass unser Unternehmen schneller, effizienter und agiler wird und wir so schneller auf Veränderungen reagieren können und schneller Ergebnisse am Markt platzieren können um somit einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu erlangen.

Hinweis: Da Value Streams Team-, Abteilungs oder sogar Firmenübergreifend funktionieren ist eine Verbesserung meist mindestens auf der mittleren Management Ebene oder darüber angesiedelt. Hier sprechen wir explizit nicht von einer lokalen Verbesserung in einem Team, sondern einer übergreifenden Perspektive die unser Unternehmen als Ganzes optimiert.

 

Value Stream Management besteht dabei aus drei einfachen Schritten:

  1. Value Streams im Unternehmen identifizieren
  2. Verbesserungspotenziale ableiten und priorisieren
  3. Den Value Stream kontinuierlich managen und weiter verbessern

 

Dieser Artikel wird sich primär damit beschäftigen Value Streams zu identifizieren, da Value Stream basierte Organisationsmodelle den Rahmen sprengen würden.

 

Wie identifiziere ich einen Value Stream?

Dazu gibt es eine empfohlene Darstellung - das sog. Value Stream Mapping, die ich hier kurz vorstellen möchte. Wer mehr dazu erfahren möchte, dem empfehle ich die Lektüre des Buches „Value Stream Mapping“ von Karen Martin

 

Damit man das Prinzip leichter versteht wollen wir uns eine Pizzeria vorstellen, die per Telefon Bestellungen annimmt, diese herstellt und dann an ihre Kunden ausliefert.

Der erste Schritt der Wertschöpfung ist der Telefonanruf des Kunden, welcher die nachfolgenden Schritte auslöst:

  1. Kunde bestellt via Telefon und ein Mitarbeiter notiert die Bestellung und die Lieferadresse auf einen Zettel
  2. Der Zettel wird nach dem Gespräch in die Küche getragen
  3. Dort nimmt ein Küchengehilfe den Zettel entgegen und bringt ihn zum nächsten freien Pizzabäcker
  4. Dieser belegt die Pizza und gibt diese weiter an den für den Ofen zuständigen Bäcker
  5. Dieser bewacht die Pizza, bis sie fertig ist und packt sie in einen Karton
  6. Dieser Karton wird an den nächsten freien Auslieferer mit der Adresse übergeben
  7. Der Karton wird an den Kunden ausgeliefert.

 

Jetzt haben wir alle Schritte des Wertstroms für unseren Kunden identifiziert. (Anm. Um dieses Beispiel nicht zu komplex zu gestalten wurden weitere Schritte nicht mit aufgeführt, wie Bezahlung und Abrechnung)

 

Wie messe ich Value Streams? - Wartezeiten und Fehlerquoten im Prozess

Als nächstes analysieren wir wie lange jeder Prozesschritt dauert und wie lange die tatsächliche Arbeit in diesem Schritt dauert (PT = Process Time (tatsächliche Arbeit) , LT = Lead Time (gesamte Dauer) – Dauert das belegen der Pizza insgesamt 10 Minuten, ist die Lead Time 10 Minuten. In diesen 10 Minuten hat der Pizzabäcker aber nur 2 Minuten an dieser Pizza gearbeitet, da die Pizza 8 Minuten warten musste, bis die „an der Reihe war“. In diesem Falle ist die „Process Time“ 2 Minuten. Übertragen auf unser Beispiel heißt das:

  1. Kunde bestellt via Telefon und ein Mitarbeiter notiert die Bestellung und die Lieferadresse auf einen Zettel (LT = 5 Min, PT = 1 Min)
  2. Der Zettel wird nach dem Gespräch in die Küche getragen (LT = 1 Min, PT = 1 Min)
  3. Dort nimmt ein Küchengehilfe den Zettel entgegen und bringt ihn zum nächsten freien Pizzabäcker (LT = 10 Min, PT = 1 Min)
  4. Dieser belegt die Pizza und gibt diese weiter an den für den Ofen zuständigen Bäcker (LT = 10 Min, PT = 2 Min)
  5. Dieser bewacht die Pizza, bis sie fertig ist und packt sie in einen Karton (LT = 10 Min, PT = 7 Min)
  6. Dieser Karton wird an den nächsten freien Auslieferer mit der Adresse übergeben (LT = 5 Min, PT = 1 Min)
  7. Der Karton wird an den Kunden ausgeliefert. (LT = 20 Min, PT = 5 Min)

Addieren wir nun diese Werte stellen wir fest, dass es insgesamt 61 Minuten dauert, bis eine Pizza ausgeliefert wird, obwohl „nur“ 18 Minuten effektiv an einer Pizza gearbeitet wird.

In komplexen Szenarien in der Industrie sind diese Zahlen oft noch viel weiter auseinander als in unserem einfachen Beispiel.

 Als nächsten Schritt würde man analysieren, wie hoch die Fehlerquote in jedem Schritt ist indem wir für jeden Schritt aufschreiben zu wie viel Prozent die Arbeit die in diesem Schritt ankommt korrekt ist (0-100%)

Wenn wir die Durchlaufzeiten, die Effizienz (PT/LT) sowie die Fehlerquote analysiert haben, haben wir ein sehr klares Bild unseres Wertstroms sowie der Flaschenhälse und der Optimierungspotenziale.

Mit diesen Zahlen können wir nun weitere Aktionen ableiten, um unsere Wertschöpfung für unsere Kunden nachhaltig zu verbessern.

Ein erster Schritt wäre den Prozessablauf weiter zu optimieren -insbesondere bei Schritten, in denen die Wartezeiten sehr hoch sind - oder die Fehlerquote.

Ein weiterer Schritt ist darüber nachzudenken, ob unser Unternehmen für die Wertstrombearbeitung richtig aufgestellt ist. Was wäre denn, wenn alle Mitarbeiter in einem Wertstrom auch direkt in einem Team zusammenarbeiten würden? Denn häufig verläuft ein Wertstrom horizontal in einer vertikalen (hierarchischen Organisation) - siehe nachfolgende Grafik.

Value Streams sind meist horizontal in einer vertikalen Organisation

 

Wie man sieht, ist Value Stream Mapping ein einfaches Werkzeug ein Unternehmen nachhaltig an Kundenbedürfnissen auszurichten und die Wertschöpfung zu verbessern. Nicht selten sind Verkürzungen der Durchlaufzeiten auf 50% oder weniger das Resultat - Bei gleichbleibendem Ressourceneinsatz!

Weiterführende Gedanken

Value Stream Betrachtungen und -Optimierungen sind eine Management Aufgabe, die es erlaubt Unternehmen besser an der Strategie und den Kundenbedürfnissen auszurichten und gleichzeitig die existierenden Ressourcen bestmöglich einzusetzen.

Die Idee, den Wertfluss durch ein System zu optimieren findet sich in fast allen agilen Methoden wieder (z.B. Scrum, Kanban, SAFe etc.) – Mit Value Stream Management wird diese effektive und bewährte Methode eine Ebene höher angesetzt um das Unternehmen ganzheitlich zu optimieren und an Kundenbedürfnissen auszurichten. Hier liegt häufig das größte Potenzial für Verbesserungen, aber auch die höchsten Widerstände, da Value Stream Optimierungen häufig eine Änderung der Organisation nach sich ziehen.

Die Organisation an Wertströmen auszurichten bringt jedoch auch sehr viele Vorteile mit sich, wie kürzere Time to Market, effektivere Ressourcennutzung und ein insgesamt besser am Kunden ausgerichtetes Unternehmen, dessen Organisationsmodell die Wertschöpfung fördert, nicht bremst.

Hierzu gibt es verschiedenen Modelle, SAFe bildet diese Value Streams beispielsweise in sog. „Agile Release Trains“ und „-Solutions“ ab. Wichtig ist hier, dass man auch mit kleinen Schritten anfangen kann. Es können beispielsweise Personen in einer hybriden Organisation den Wertströmen zugeordnet werden und die bisherige Linienorganisation bleibt vorerst bestehen.

In einem späteren Schritt kann diese dann ganz aufgelöst werden (bzw. selbst an Value Streams ausgerichtet werden), wenn sich die Vorteile einer an Wertströmen orientierten Organisation nachhaltig abzeichnen. So kann häufig auch ein höheres Commitment der Beteiligten erreicht werden, was eine so grundlegende Änderung vereinfacht.